Veranstaltungen und Neues
Ein Wahrheitssucher mit glühendem Bariton

Franz Grundheber – Heldenbariton, Hamburgischer Kammersänger und Ehrenmitglied der Gustav Mahler Vereinigung – verstarb am 27. September 2025 an seinem 88. Geburtstag. Seit 2014 war er Ehrenmitglied der Gustav Mahler Vereinigung Hamburg.
Sprach man Franz Grundheber auf seine sängerischen Anfänge an, dann blitzten seine Augen und er erzählte – gern anekdotisch, immer voller Begeisterung – von Rolf Liebermann und jener goldenen Ära der Hamburgischen Staatsoper. Das waren die 1960er Jahre. 1966 kam der junge Bariton ins Ensemble an der Dammtorstraße, sang sich erstmal durch die kleinen und mittleren Partien, wirkte in so manchen Uraufführungen mit, die Liebermann mit Vorliebe ansetzte, und durfte vor allen Dingen behutsam wachsen und reifen. Damals war ein großer Intendant eben auch ein feinfühliger Begleiter der Nachwuchstalente, die noch wirklich aufgebaut wurden. Als neben den alltäglichen Pflichten auch immer häufiger die größeren Aufgaben an ihn herangetragen wurden, stand Grundheber an der Seite von werdenden Weltstars. Plácido Domingo gehörte dazu, mit dem er bald auf Augenhöhe auf der Staatsopernbühne stand – der Tenor in der Titelpartie von Verdis „Otello“, der Bariton als sein Gegenspieler Jago. Denn nach Mozart und nach Ausflügen in die deutsche Spieloper war das italienische Repertoire durchaus eine Domäne des 1937 in Trier geborenen Sängers. Den Amonasro in Verdis „Aida“, dann die Titelpartien in „Rigoletto“, in „Simon Boccanegra“ und in „Macbeth“ verkörperte er in Premieren an der Hamburgischen Staatsoper – und bald darauf weltweit an den ersten Häusern.
Was ihn an den Figuren interessierte und was er grandios zum Ausdruck brachte, war deren Gebrochenheit, deren tief sitzende Tragik. Was ihn hingegen kaum interessierte, waren Rollen wie der Graf Luna in „Il Trovatore“: Das schöne Singen allein ohne wirkliche Entwicklung des Charakters reichte Grundheber nicht. Für ihn galt das aus den Urzeiten der Gattung Oper stammende „Prima la parola“: An erster Stelle stand die tiefe Durchdringung des gesungenen Worts (gerade auch im italienischen Repertoire!), dann kam die Ausgestaltung des Worts durch den Ton, die Musik, die Phrasierung. Und so wurden dann natürlich die Fachpartien des deutschen Heldenbaritons und damit seiner Muttersprache seine Kernpartien, in denen er mitunter über Jahrzehnte fast konkurrenzlos auf den Bühnen stand. In der Eröffnungsphase der Elbphilharmonie war er gar ein grandioser Verkünder des biblischen Wortes: Er sangsprach den Moses in Schönbergs „Moses und Aron“ als ein wahrer Prophet.
Zwei Komponisten mussten in seiner langen Karriere dann kommen und in Grundheber ihren idealen Interpreten finden: Richard Strauss und Richard Wagner. Der Barak, der Orest, der Jupiter des ersteren, der Holländer und der Amfortas des Bayreuther Meisters fanden in Franz Grundheber jenen überwältigenden Sängerdarsteller, der ein wortgezeugtes Singen mit einem flammenden, glühenden, kernigen Ton verband – einem spezifischen Timbre, das man stets sofort erkannte. Die Partien wurde zu seinen Paraderollen, deren existenziellen Kern Franz Grundheber Abend für Abend aufs Neues herausschälte, weil er spürte, wo diese Essenz verborgen liegt. Nie wirkten seinen Interpretationen gemacht, gewollt, gekünstelt. Sie waren stets absolut authentisch, berührend, erschütternd. Kein Wunder, dass er dann eben auch den klassischen Bariton-Bösewichtern Gestalt und Stimme lieh. Sie wurden bei ihm freilich nie zu Abziehbildern der menschlichen Düsternis: Menschen mit all ihren Abgründen statt Klischees brachte er auch hier auf die Bühne, vielschichtige Wesen, die sich im schlimmsten Handeln noch einen Rest Würde bewahren. Puccinis Scarpia in Puccinis „Tosca“ lotete er in diesem Sinne tief aus: in Premieren in Hamburg wie bei den Salzburger Festspielen, wo er Herbert von Karajan diplomatisch geschickt dazu brachte, die Orchesterwogen im „Te Deum“ dann doch nicht über seiner Stimme zusammenschlagen zu lassen.
Seine persönlichste Partie allerdings wurde wohl der Wozzeck in Alban Bergs gleichnamiger Oper. Diesen Gequälten aus prekären Verhältnissen muss Franz Grundheber als einen Wesensverwandten erkannt haben. Die Inszenierung des „Wozzeck“ von Patrice Chéreau – mit Grundheber an der Seite von Waltraud Meier – ist zum Glück für die Nachwelt festgehalten. Da waren gemeinsam mit Grundheber Wahrheitssucher am Werk, ohne je in die naturalistische Behauptung abzugleiten. Da wurde Kunst womöglich wahrer als die Wirklichkeit. Nun ist Franz Grundheber just an seinem 88. Geburtstag gestorben – in seiner Wahlheimat Hamburg. Werden und Sterben fallen zusammen. Es mag für seine Geradlinigkeit, seine Bodenhaftung, seine künstlerische Aufrichtigkeit stehen, dass er sich auf diese Weise von der Welt verabschiedete. Wer ihn erleben durfte, erinnert sich mit Verehrung und Dankbarkeit an einen der ganz Großen der Oper: an das Charisma eines Jahrhundertsängers – bereits 1986 zum Hamburger Kammersänger ernannt – , an seine prägenden Rollenportraits, seine gestalterische Unbedingtheit, seine gleichsam naive Ahnung, mit seinem Gesang mindestens so tief in das Wesen des Menschseins eindringen zu können wie Wissenschaft und Religion.
TEXT: Peter Krause

Freitag 3. Oktober 2025 13:30 Uhr | Musikstadt Hamburg: Auf Gustav Mahlers Spuren

Treffpunkt: KQ Museen | Peterstraße 29
Stadtrundgang der Gustav-Mahler-Vereinigung Hamburg e.V.,
Die Spurensuche nach Gustav Mahler gestaltet sich als kundiger, umfassender und farbiger Einblick in sein berufliches und privates Leben, auch wenn viele sichtbare Zeichen seiner Wirkungsstätten 1943 zerstört wurden. Stationen der Führung sind z. B. ehemalige künstlerische Wirkstätten Mahlers und heutige Gedenkorte, die Michaeliskirche, in der er die entscheidende Inspiration zu seiner 2. Symphonie erfuhr, der Ort seiner Taufe (St. Ansgar in der Neustadt), Hotels, in denen er im Anfang abstieg, oder seine Lieblings-Speiselokale. Das gesellschaftliche Leben, Freunde und Bekannte Mahlers in Hamburg werden bei der Führung lebendig.
Dauer: ca. 2,5 Std.
Beitrag zu Gunsten der Gustav Mahler Vereinigung e.V.:
15,-€ (Studierende/Schüler/*Innen 5,-€) direkt an den Guide.
Anmeldung unter rundgang@gmvhh.de
Konzeption: Dr. Dieter Wilde (Historiker und Stadt-Führer), Dr. Albrecht Schultze (Vorstand der Gustav Mahler Vereinigung Hamburg), Fabian Frommknecht
Weitere Termine 2025:
12. Oktober (13:00) verkürzte Sonderführung im Rahmen >10 Jahre KQ "Mahler-Wochenende"< (Eintritt frei) Dieter Wilde und Albrecht Schultze
2. November 2025 13:30 Albrecht Schultze (wurde vom 26.10.2025 auf den 2.11.2025 verschoben!)
Christoph von Dohnányi gestorben

Am 6. September 2025 verstarb der Dirigent Christoph von Dohnányi mit 95 Jahren in München. Er machte sich einen großen Namen als Operndirigent, war 20 Jahre lang Chef des Cleveland Orchestra und prägte als Chefdirigent des damaligen NDR Sinfonieorchesters in den 2000ern die Konzerte in Norddeutschland.
Zu den zahlreichen unvergessen gebliebenen Auftritten gehörten modellhafte Aufführungen der Werke von Beethoven, Bruckner, Mahler, Richard Strauss und Bartók, die seine Amtszeit prägten. Schon 2004 schlug Christoph von Dohnányi vor, die geplante Elbphilharmonie „Gustav-Mahler-Halle“ zu nennen, das würde auch international besser verstanden als Elbphilharmonie (Die Welt, 18.11.2004). 2010 wurde er Ehrenmitglied der Gustav Mahler Vereinigung Hamburg.
Die Gustav Mahler Vereinigung gedenkt einer großen, ihr eng verbundenen Musikerpersönlichkeit.